Lehramtsinitiative / Lehrerinformationstag
Digitalisierung im Grammatikunterricht
- Organisation: Melitta Gillmann (Universität Hamburg) und Sandra Döring (Universität Leipzig)
- Lokaler Kontakt: Melitta Gillmann (melitta.gillmann"AT"uni-hamburg.de)
- Thema: Digitalisierung im Grammatikunterricht
- Referenten: Michael Beißwenger (Universität Duisburg-Essen)
- Termin: 03. März 2020, 15:00 bis 19:30 Uhr
- Ort: Universität Hamburg
- Anmeldung: 20.10.2019 bis 31.01.2020 formlos per E-Mail an:
dgfs2020_lai.zfs@uni-hamburg.de(dgfs2020_lai_zfs"AT"uni-hamburg.de).
Bitte geben Sie bei der Anmeldung zwei Workshops an, die Sie besuchen möchten (je Block einen). Teilen Sie uns bitte außerdem mit, ob Sie einen (internetfähigen) Laptop mitbringen können oder ob Sie ein Leihgerät benötigen.
Kurzbeschreibung
Durch die Digitalisierung verändert sich die Gesellschaft grundlegend; Schule und Unterricht müssen sich auf diese Veränderungen einstellen, um den Schülerinnen und Schülern digitale Kompetenzen zu vermitteln und sie auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen vorzubereiten. Darüber hinaus bieten digitale Lernwerkzeuge gute Möglichkeiten, um Lerngegenstände sprachlicher Fächer interaktiver und attraktiver zu gestalten. Sie ermöglichen kooperatives und projektbasiertes Arbeiten und bieten dadurch neue Perspektiven auf die Inhalte.
Der diesjährige Lehrerinformationstag der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS) widmet sich der Frage, welche digitalen Angebote und Ressourcen im Grammatikunterricht eingesetzt werden können. Darüber hinaus soll es um erste Antworten auf folgende Fragen gehen: Welche digitalen Werkzeuge eignen sich für die Reflexion über Sprache und Sprachgebrauch – und wie können sie im Unterricht eingesetzt werden? Lassen sich digitale Forschungsmethoden der Linguistik für forschendes Lernen im Grammatikunterricht nutzen? Welche Lerngegenstände eignen sich besonders für digitale Zugänge?
Programm
Zeit | Thema |
15:00-16:30 |
Workshops (Block 1) Workshop 2: Annotierte Webkorpora als Lehrmittel in der Vermittlung von Registerkompetenz Workshop 3: Digitale Lernspiele im Grammatikunterricht |
16:30-16:45 | Kaffeepause |
16:45-18:15 |
Workshops (Block 2) Workshop 5: Forschendes Lernen im schulischen Grammatikunterricht Workshop 6: Grammatik in der Sprachlandschaft: Wie die digitale Datenbank LinguaSnappHamburg im Deutschunterricht eingesetzt werden kann |
18:15-18:30 | Kaffeepause |
18:30-19:30 |
Plenarvortrag |
Plenarvortrag: Zum Lernen verlocken mit ORTHO & GRAF
Abstract
Zum Lernen verlocken mit ORTHO & GRAF.
Ein online-gestütztes Planspiel zur Reflexion über Rechtschreibung und Grammatik in der Sekundarstufe I
Prof. Dr. Michael Beißwenger (Universität Duisburg-Essen)
Der Vortrag geht der Frage nach, wie Lernende dazu motiviert werden können, sich eigenaktiv und selbstgesteuert mit Lerngegenständen zu beschäftigen, die sie typischerweise als „trocken“ empfinden. Ein Beispiel für einen solchen Lerngegenstand im Bereich des Deutschunterrichts (und auch des Lehramtsstudiums Deutsch) ist die Orthographie. Für Schülerinnen und Schüler bildet ein Verständnis der Systematik des Schriftsystems eine wichtige Grundlage, um Rechtschreibregeln als Ausdruck von (grammatischen) Regularitäten zu begreifen und die Normrichtigkeit erzeugter Schreibungen im eigenen Schreibprozess kritisch zu hinterfragen und zu kontrollieren. Für Studierende der Lehrämter Deutsch bildet ein vertieftes Verständnis der Funktion der Orthographie sowie der sprachsystematischen Zusammenhänge, die orthographischen Regelformulierungen zugrunde liegen, eine wichtige Basiskompetenz, um einerseits Materialien für den Rechtschreibunterricht fachlich bewerten und andererseits zur Bearbeitung von Fehlerschwerpunkten von Schülerinnen und Schülern geeignete Fördermaßnahmen auswählen zu können.
Am Beispiel des Planspiels ORTHO & GRAF, dessen Konzept ausführlich vorgestellt wird, werde ich diskutieren, unter welchen Bedingungen es möglich ist, Lernende durch spieltypische Elemente (‚Gamification’) zu einer selbstgesteuerten, kooperativen, diskursiven und motivierenden Auseinandersetzung mit den Schreibregularitäten des Deutschen anzuregen. Kern des Spielszenarios ist das fiktive privatwirtschaftliche Unternehmen ORTHO & GRAF, das über eine Website Dienstleistungen zur professionellen Klärung von Rechtschreibunsicherheiten anbietet. Im Rahmen des Spiels beschäftigen sich die Lernenden in unterschiedlichen Rollen und aus variierenden Perspektiven mit den Regularitäten der deutschen Rechtschreibung: In der Rolle von Kundinnen und Kunden (Spielphase 1) reichen sie Ermittlungsaufträge an das Unternehmen ein, die sich auf „verdächtige“ Schreibungen beziehen, die sie in Textbeispielen identifiziert oder ihrer eigenen Lebenswelt entnommen haben. In der Rolle von Ermittlerinnen und Ermittlern (Spielphase 2) klären sie Schreibungen, begründen ihre Schreibentscheidungen unter Bezug auf die Paragraphen eines Regelwerks und dokumentieren die Ergebnisse ihrer Ermittlungsarbeit in Ermittlungsakten. Als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Innenrevision (Spielphase 3) prüfen sie die Akten anderer Ermittlerinnen und Ermittler auf Plausibilität, kommentieren sie und regen Überarbeitungen an. Wenngleich die genannten spielbezogenen Rollenaktivitäten in einer Online-Umgebung stattfinden, ist das didaktische Szenario kein reines Online-Szenario. Im Gegenteil: Die Spielaktivitäten bilden den Ausgangspunkt für Ermittlerkonferenzen, in denen die Lernenden in einem Präsenzsetting Fälle aus ihrer laufenden Ermittlungsarbeit vorstellen und im Modus einer wechselseitigen Fallberatung untereinander diskutieren. Dafür greifen sie auf die Ergebnisse ihrer Online-Aktivitäten zu, die in einer Wiki-Plattform dokumentiert sind, die für die Zwecke des Spiels zur Ermittlerplattform ausgestaltet wurde.
Das Spielkonzept sowie die zugehörigen Online-Ressourcen wurden am Institut für Germanistik der Universität Duisburg-Essen entwickelt und 2017 und 2018 in insgesamt fünf Seminarveranstaltungen mit Studierenden der Lehrämter Deutsch für Haupt-, Real- und Gesamtschulen, Gymnasien und Berufskollegs in einem Inverted-Classroom-Setting erprobt. 2018/19 wurde das Konzept für den Einsatz im Deutschunterricht der Sekundarstufe I angepasst und im Sommer 2019 in der Klassenstufe I eines Gymnasiums durchgespielt. Die Erfahrungen mit dem Einsatz werden ausführlich beleuchtet; dabei wird auch die Perspektive der Studierenden bzw. der Schülerinnen und Schüler sowie der beteiligten Lehrpersonen einbezogen.
Die Spielumgebung sowie ein ausführliches Handbuch für Lehrende werden unter https://udue.de/orthoundgraf als freie Ressourcen zur Verfügung gestellt.
Eine erste Orientierung zu ORTHO & GRAF bietet Abschnitt 6 des folgenden, online verfügbaren Textes:
– Michael Beißwenger, Veronika Burovikhina & Lena Meyer (2019): Förderung von Sprach- und Textkompetenzen mit sozialen Medien: Kooperative Konzepte für den Inverted Classroom. In: Michael Beißwenger & Matthias Knopp (Hrsg.): Soziale Medien in Schule und Hochschule: Linguistische, sprach- und mediendidaktische Perspektiven. Frankfurt: Peter Lang (Forum Angewandte Linguistik 63), 59-100. Frei zugänglich unter https://www.peterlang.com/view/title/68195.
Workshop 1: Kooperative Textarbeit mit dem TEXTLABOR
Abstract
Workshop 1: Kooperative Textarbeit mit dem TEXTLABOR
Prof. Dr. Michael Beißwenger, Veronika Burovikhina (beide Universität Duisburg-Essen)
In diesem Workshop stellen wir das Werkzeug TEXTLABOR vor, das es Lernenden ermöglicht, digital bereitgestellte Texte kooperativ und problembezogen mit Anmerkungen zu versehen und in einer digitalen Leseumgebung direkt an Texten über Texte zu diskutieren. Wir berichten von Erfahrungen mit dem Einsatz des Werkzeugs für Formen der kooperativen Textarbeit (Erschließung von Fachtexten, Analyse literarischer Texte) in germanistischen und deutschdidaktischen Seminaren an der Universität Duisburg-Essen. In einem Kooperationsprojekt mit einem Gymnasium wird das Konzept derzeit für den Einsatz im schulischen Deutschunterricht angepasst.
Das Werkzeug TEXTLABOR steht als Erweiterung zur Lernplattform Moodle als freier Download zur Verfügung. Nach einer einführenden Präsentation besteht für die Teilnehmenden im zweiten Teil des Workshops Gelegenheit, das Werkzeug direkt am Rechner mit verschiedenen Beispieltexten auszuprobieren und davon ausgehend eigene Ideen für den Einsatz im Deutschunterricht zu entwickeln.
Eine erste Orientierung zu TEXTLABOR bietet Abschnitt 5 des folgenden, online verfügbaren Textes:
– Michael Beißwenger, Veronika Burovikhina & Lena Meyer (2019): Förderung von Sprach- und Textkompetenzen mit sozialen Medien: Kooperative Konzepte für den Inverted Classroom. In: Michael Beißwenger & Matthias Knopp (Hrsg.): Soziale Medien in Schule und Hochschule: Linguistische, sprach- und mediendidaktische Perspektiven. Frankfurt: Peter Lang (Forum Angewandte Linguistik 63), 59-100. Frei zugänglich unter https://www.peterlang.com/view/title/68195.
Workshop 2: Annotierte Webkorpora als Lehrmittel in der Vermittlung von Registerkompetenz
Abstract
Workshop 2: Annotierte Webkorpora als Lehrmittel in der Vermittlung von Registerkompetenz
Dr. Roland Schäfer (FU Berlin), Dr. Felix Bildhauer (Institut für Deutsche Sprache, Mannheim)
Die Entwicklung von Registerkompetenz bei Schüler*innen wird als essentielle Aufgabe des Deutschunterrichts anerkannt. Beispielhaft sei der aktuelle Rahmenlehrplan für Berlin/Brandenburg genannt, in dem selbstverständlich gefordert wird, dass „[Schüler*innen] Sprachvarietäten, wie z. B. Dialekt und Jugendsprache, und die unterschiedlichen Sprachregister wie Alltags-, Bildungs- und Fachsprache [...] situationsangemessen [gebrauchen]“ (Rahmenlehrplan für Berlin und Brandenburg 2017/2018, Teil C: Deutsch, Jgs. 1–10, S. 6). Solche Forderungen stellen für die germanistische Linguistik und damit auch für Lehrpersonen im Fach Deutsch einerseits ein grundsätzliches Problem dar, da „die Register des Deutschen“ – insbesondere die in neuen Medien und internetbasierter Kommunikation – nicht bekannt bzw. katalogisiert sind. Lehrpersonen sind also darauf angewiesen, exemplarisch relevante Register und Registerunterschiede auszuwählen und zu bebeispielen. Andererseits ist die Auswahl geeigneten registerspezifischen Materials insbesondere für einen induktiv operierenden Deutschunterricht ein praktisches Problem, bei dem speziell die germanistische Korpuslinguistik Lehrpersonen Angebote machen kann.
In diesem Workshop werden digitale Ressourcen für die Vermittlung von Registerkompetenz in normnahen und normfernen geschriebenen Texten inklusive Spezifika der Kommunikation in neuen Medien vorgestellt. Zunächst wird das große deutsche Webkorpus DECOW gezeigt (einschließlich der Möglichkeiten, auf dieses zuzugreifen). In der Hauptsache wird dann Douglas Bibers Multidimensionale Analyse als Methode sowie eine erheblich weiterentwickelte Variante des Ansatzes vorgestellt, die auf Entwicklungen der FU Berlin (Roland Schäfer) und des IDS Mannheim (Felix Bildhauer) basiert.
Die Methode erlaubt es, diejenigen Register zu finden, die zu messbar unterschiedlichen Verteilungen von lexikalischen und grammatischen Oberflächenmerkmalen (Häufigkeit von Passivbildungen, Häufigkeiten von bestimmten Adverbialen, Pronomina, Konnektoren usw.) führen. Neben einer Annotation dieser Häufigkeiten für das gesamte DECOW (den sogenannten COReX-Merkmalen) wird das PreCOX-Korpus vorgestellt, das gezielt Dokumente aus DECOW enthält, die prototypischen Verteilungen (Clustern) dieser Merkmale – und damit potentiell Registern – entsprechen. Dieses Korpus kann von Lehrpersonen praktisch eingesetzt werden, um sich einerseits selber ein Bild von der Verteilung grammatischer Merkmale in diversen schriftlichen Registern zu verschaffen, und andererseits um konkretes Material für die Unterrichtsgestaltung auszuwählen. Da das PreCOX-Korpus und die dazugehörige Methode ein langfristiges Forschungsvorhaben darstellen, werden die Teilnehmer*innen abschließend mit den Möglichkeiten vertraut gemacht, die Form und den Inhalt zukünftiger verbesserter Versionen des Korpus durch Rückmeldung mitzugestalten.
Für interaktive Anteile ist es von Vorteil, wenn den Teilnehmer*innen je ein internetfähiger Computer zur Verfügung steht. Besondere Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.
Workshop 3: Digitale Lernspiele im Grammatikunterricht
Abstract
Workshop 3: Digitale Lernspiele im Grammatikunterricht
Dr. Brigitte Ganswindt, Dr. Tanja Giessler (beide Universität Marburg) und Renata Samà (Universität Hamburg)
Grammatikunterricht wird sowohl von SchülerInnen als auch von Lehrkräften häufig als wenig attraktiv empfunden. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass grammatische Lerninhalte auf Grund ihrer Abstraktheit und Komplexität für viele SchülerInnen eine Herausforderung darstellen. Um diese Themen interessanter und damit besser verstehbar zu machen, eignen sich alternative Lehrmethoden wie der Einsatz von digitalen Lernspielen im Unterricht. Auf Basis des lerntheoretischen Hintergrundes zum spielbasierten Lernen, bei dem Lerninhalte in eine Spieldynamik übertragen werden, kann das Potential dieser Lernform im Grammatikunterricht genutzt werden. Dadurch kann sich für die Lernenden ein aktiver, konstruktiver und selbstgesteuerter Lernprozess entfalten, der durch Spaß, Belohnung und messbaren Fortschritt im Spiel die intrinsische Motivation zur Auseinandersetzung mit dem Themenbereich anregt.
Im Workshop lernen die Teilnehmenden zunächst eine selbst entwickelte Lern-App (LINGURINTH)1 zum Thema Wortarten kennen, die mobiles Lernen und dabei eine spielerische Wiederholung der Lerninhalte auf verschiedenen Ebenen ermöglicht.
Im zweiten Teil des Workshops erstellen die Teilnehmenden selbständig kleinere Lernbausteine und Lernspiele mithilfe der kostenlosen Web 2.0-Plattform „LearningApps.org“. Die einfache Bedienung und das intuitive Vorgehen bei dieser plattformgestützten Erstellung von Lernbausteinen erfordern weder Programmierkenntnisse noch ausgefeiltes technisches Know-how. Diese leicht zu erlernende Art der App-Erstellung ist auch dafür geeignet, im Schulunterricht eingesetzt zu werden, so dass auch SchülerInnen selbst Apps erstellen können und sich dabei sowohl die erforderlichen technischen Kenntnisse aneignen als auch das zu erlernende Fachwissen auf diese Art vertiefen können. Die Teilnehmenden des Workshops können verschiedene Apps direkt auf ihren Smartphones testen und als Anregung für die Erstellung eigener Apps nutzen.
Benötigte technische Ausstattung: PC oder Laptop mit Internetanschluss und nach Möglichkeit Smartphone mit QR-Code-Reader
Voraussetzungen der Teilnehmenden: Keine
1Ganswindt, Brigitte / Tanja Giessler / Renata Samà / Steffen Vaupel (i. E.): LINGURINTH. A Serious Computer Game to Support Undergraduate Students in Language Learning Courses. Erscheint in: Proceedings of the 13th annual International Technology, Education and Development Conference 2019.
Workshop 4: Chancen digitalen Lernens im Grammatikunterricht
Abstract
Workshop 4: Chancen digitalen Lernens im Grammatikunterricht
PD Dr. Hans-Georg Müller (Universität Potsdam)
Die Ziele des schulischen Grammatikunterrichts haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten zunehmend von der sprachstrukturellen Beschreibung hin zu Fragen der Sprachreflexion und Sprachkritik gewandelt, was sich nicht zuletzt auch in den KMK-Vorgaben und Rahmenlehrplänen der Länder widerspiegelt.
Obwohl klassische grammatische Kenntnisse angesichts dieser Entwicklung an Stellenwert eingebüßt zu haben scheinen, ist bei genauerer Betrachtung eher das Gegenteil der Fall, da ohne sprachsystematisches und sprachstrukturelles Wissen sowie eine gesicherte Fachbegrifflichkeit Sprachreflexion und Sprachkritik zur Banalität, zur Spekulation oder zur populistischen Meinungsmache zu verkommen drohen. Mehr als je zuvor ist es daher Aufgabe der Schule, für ein grundlegendes Verständnis sprachstruktureller Zusammenhänge und grammatischer Modelle zu sorgen. Erforderlich ist dabei allerdings, dass schulischer Grammatikunterricht deutlich an kognitiver Nachhaltigkeit hinzugewinnt.
An dieser Stelle setzen die immensen Chancen digitalen Lernens an, welche sich keineswegs in den multimedialen Möglichkeiten des Internets erschöpfen, sondern vielmehr in den breiten Gestaltungsspielräumen für interaktive Lernszenarien liegen: Gut gepflegte und fachdidaktisch begleitete digitale Lernangebote erlauben unter anderem:
• präzise Lernstandsbestimmungen der Nutzer*innen,
• variable, auf den Wissensstand angepasste Lern- und Übungswege,
• unmittelbare Erfolgsrückmeldungen an die Lernenden,
• langfristige Dokumentationen der Kompetenzentwicklung sowie
• innovative Aufgabenformate, die im klassischen Grammatikunterricht nicht möglich wären.
Darüber hinaus liefern digitale Lernangebote bei entsprechender technischer Ausarbeitung eine natürliche Schnittstelle zur fachdidaktischen Erforschung grammatischer Lernprozesse: Die Interaktionen zwischen Nutzer*innen und gestellten Aufgaben liefert beinahe ohne zusätzlichen Aufwand didaktisch hoch relevantes
Datenmaterial, etwa
• zu Fragen der Ontogenese grammatischer Kenntnisse,
• zu Fragen der Optimierung von Erwerbswegen,
• zu Einflussfaktoren auf den Lernverlauf,
• zu Schwierigkeiten und Distraktoren in der Kompetenzentwicklung oder
• zur Effizienz von Hilfsangeboten.
Anhand der eLearning-Applikationen „Orthografietrainer.net“ und „Grammatikwerkstatt“ (nicht zu verwechseln mit dem Klassiker von Wolfgang Menzel) werden im Workshop Möglichkeiten und Chancen digitalen grammatischen Lernens ausgelotet und diskutiert. Dabei werden lerntheoretische und unterrichtspraktische Aspekte des Grammatikerwerbs ebenso beleuchtet wie die Chancen, die sich aus einer Rückkopplung zwischen fachdidaktischer Forschung und schulpraktischer Verwendung ergeben.
Workshop 5: Forschendes Lernen im schulischen Grammatikunterricht
Abstract
Workshop 5: Forschendes Lernen im schulischen Grammatikunterricht
Jun.-Prof. Dr. Melitta Gillmann, Linda Kunow (beide Universität Hamburg), Jessica Sohl (Lise-Meitner-Gymnasium Hamburg)
Im Workshop werden forschende Zugänge zu Gegenständen des schulischen Grammatikunterricht mithilfe von Korpora thematisiert. Bei Korpora handelt es sich um Sammlungen schriftlicher oder gesprochener Sprachdaten, die digitalisiert vorliegen und mit linguistischen Informationen wie bspw. Wortarten versehen sind (Lemnitzer/Zinsmeister 32015: 11). In der Forschung werden sie genutzt, um sprachwissenschaftliche Fragestellungen empirisch zu untersuchen. Im Rahmen von zwei Schulprojekten mit Hamburger Gymnasien wurde im WiSe 2018/19 und im WiSe 2019/20 überprüft, wie Korpora1 im Deutschunterricht verschiedener Klassenstufen eingesetzt werden können, um für den schulischen Grammatikunterricht relevante Gegenstände zu behandeln.
Der Workshop basiert auf den gewonnenen Erfahrungen und zeigt, wie Korpora als didaktische Methode des forschenden Lernens gewinnbringend im Deutschunterricht eingesetzt werden können. Zunächst wird die Anwendung des DWDS-Korpus im Allgemeinen vorgestellt. Danach wird am Beispiel exemplarisch ausgewählter sprachlicher Phänomene gezeigt, wie diese im Unterricht korpuslinguistisch behandelt werden können. Hierbei handelt es sich bspw. um Zweifelsfälle der satzinternen Großschreibung (z.B. Recht haben vs. recht haben; Sie liebt S/schwimmen) oder der starken oder schwachen Konjugation von Verben (z.B. gewinkt vs. gewunken; gehängt vs. gehangen). Der forschende Zugang hat den Vorteil, dass die Schülerinnen und Schüler sich aktiv mit den Gegenständen befassen, selbst Beobachtungen machen und diese abstrahieren (Hartinger/Lohrmann 2011). Indem sie zu eigenen Ergebnissen kommen, werden sie motiviert, sich mit Sprache zu befassen.
Literatur
Hartinger, Andreas/Lohrmann, Katrin (2011): Entdeckendes Lernen. In: Wolfgang Einsiedler, Margarete Götz, Andreas Hartinger, Friederike Heinzel, Joachim Kahlert und Uwe Sandfuchs (Hg.): Handbuch Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik. 3., vollst. überarb. Aufl. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 367–371.
Lemnitzer, Lothar/Zinsmeister, Heike (2015): Korpuslinguistik. Eine Einführung. 3. Auflage. Tübingen: Narr.
1Gearbeitet wurde mit den DWDS-Textkorpora (https://www.dwds.de/r)
Workshop 6: Grammatik in der Sprachlandschaft: Wie die digitale Datenbank LinguaSnappHamburg im Deutschunterricht eingesetzt werden kann
Abstract
Workshop 6: Grammatik in der Sprachlandschaft: Wie die digitale Datenbank LinguaSnappHamburg im Deutschunterricht eingesetzt werden kann
Prof. Dr. Jannis Androutsopoulos, Franziska Kuhlee (beide Universität Hamburg)
Das junge Forschungsgebiet der Linguistic Landscape beschäftigt sich mit Formen und Funktionen von Schriftlichkeit im öffentlichen Raum. Durch Digitalfotografie werden Schilder und andere Textformen (Aushänge, Aufkleber, Graffiti, Inschriften) in ihren räumlichen Kontexten erfasst und nach verschiedenen Fragestellungen quantitativ und qualitativ ausgewertet. Mit der digitalen Plattform LinguaSnappHamburg, die wir seit 2018 an der Universität Hamburg betreiben, stellen wir eine digitale Infrastruktur für die Aufzeichnung, Annotation und Bereitstellung solcher Daten bereit. Die Plattform umfasst eine Smartphone-App und eine frei zugängliche Online-Karte, die im Mittelpunkt des Workshops stehen soll (s. Links unten).
Aufbauend auf bisherigen Vorschlägen, wie Konzepte und Methoden aus der Forschung in den Deutschunterricht integriert werden können (vgl. Der Deutschunterricht, Themenheft 4/2018), soll in diesem Workshop gezeigt werden, wie die Online-Karte von Lingua SnappHamburg im Grammatikunterricht eingesetzt werden kann und welche spezifischen Kompetenzbereiche des Bildungsplanes dabei konkret angesprochen werden (vgl. Bildungsplan Sek I).
Nach einer Einführung in die Funktionsweise der Online-Karte von LinguaSnappHamburg zeigen wir an authentischen Beispielen vier konkrete Unterrichtsthemen und erläutern, wie die SuS eigenständig recherchieren können:
1) Syntax: Am Ende der Jahrgangsstufe 6 sollen die SuS Kenntnisse über Satzarten bzw. Satzstrukturen besitzen und diese analysieren können. Wir zeigen, wie die SuS anhand von alltäglichen Beschilderungen ein grundlegendes Verständnis über die drei Satzformen (Verberst-, Verbzweit- und Verbletztsatz) und typische Satzstrukturen erlangen können. Dabei wird der Zusammenhang zwischen Satzart und damit verbundener Sprachhandlung im Anwendungskontext beleuchtet.
2) Wortarten: Da auch die Wortartenbestimmung zu den angestrebten Kompetenzen gehört, können in Anlehnung an ein syntaktisch-relationales Verständnis der Wortartenlehre Funktionen unterschiedlicher Wortarten anhand ausgewählter Schilder erkannt und unterschieden werden. Angeregt wird dadurch die Erkenntnis, dass ein Wort erst in seinem konkreten Anwendungskontext etwa als Nomen, Verb oder Adjektiv verwendet wird.
3) Semantik: Bei mehrsprachigen Schildern stellt sich die Frage nach dem semantischen Verhältnis ihrer einzelsprachigen Bestandteile. Bestimmte Inhalte werden in verschiedenen Sprachen wiederholt, sprachliche Inhalte überschneiden sich oder gehen auseinander. An einer Auswahl von Schildern wird gezeigt, wie solche semantischen Muster in der Praxis aussehen.
4) Pragmatik: Manche Schilder arbeiten gezielt mit Wortwitz, Polysemie, Andeutung und Ironie, um ihre Botschaft unterhaltsam zu gestalten. Ein Musterbeispiel sind die sog. Hamburger Papierkörbe (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Rote_Mülleimer). An einigen Beispielen aus unserer Online-Karte wird untersucht, welche Strategien hinter den Sprüchen auf den Hamburger Papierkörben entdeckt werden können.
Vorbereitung:
- Empfohlen wird ein Blick auf die Online-Karte und die Projektwebsite (s. Links unten).
- Zum Workshop sollte nach Möglichkeit ein WLAN-fähiger Laptop mitgebracht werden.
Links:
- Projektwebsite: www.linguasnapp.uni-hamburg.de
- Online-Karte: https://map.linguasnapp.uni-hamburg.de
- Hamburger Bildungspläne: https://www.hamburg.de/bildungsplaene (Sek. I, Kompetenzbereich „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“, Jahrgangsstufen 6-8)